Wir haben alle in unserem Leben immer wieder so unsere Herausforderungen. Seien es Augenblicke, in…

Jemanden verzeihen -warum ist das so schwer?
Zuerst einmal die Frage, warum verzeihen wir nicht einfach Jemandem, wenn wir es „eigentlich“ wollen? Vielleicht schütteln sie innerlich den Kopf und denken: „Weil es eben so unglaublich schwer sein kann!“ Aber warum ist das so?
Psychologisch gesehen fällt es schwer zu verzeihen,
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…weil unser Gehirn auf Bedrohungen fixiert ist: So sorgt unser Überlebensinstinkt dafür, dass wir Schmerz und Enttäuschung nicht vergessen, um uns vor weiteren Verletzungen zu schützen. An sich eine clevere Angelegenheit?
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…weil wir das Gefühl haben, dass Unrecht ungesühnt bleibt: Verzeihen wird manchmal verwechselt: Zum Beispiel mit Schwäche oder Nachgeben. Auch wenn es an sich gar nichts damit zu tun hat. Es kann auch sein, dass wir ein starkes Bedürfnis nach Ausgleich und Fairness in uns tragen. Auf diesem Hintergrund scheint ohne „Wiedergutmachung“ Vergebung „ungerecht“. Wie gesagt: Auch wenn das gar nicht der Wirklichkeit entspricht und uns dies enorm belastet.
- …weil negative Emotionen und kognitive Verzerrungen automatisiert ablaufen: Negative Emotionen wie Wut, Groll, Rache, etc lassen uns am Alten festhalten und blockieren die Chance auf Versöhnung. Sogenannten kognitive Verzerrungen bedeuten, dass wir anderen (unseren negativen Emotionen gemäß) schlecht Absichten, böse Gedanken, übel Ziele etc unterstellen – ohne zu überprüfen, ob dem wirklch so ist.
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..weil unser Selbstwertgefühl verletzt wurde: Wenn jemand uns tief verletzt, kann das unser Selbstbild erschüttern. So ist es eine Art Schutzmechanismus, den wir hochfahren.
- ...weil wir eine Unfähigkeit zur Empathie haben: Dieser Punkt ist besonders interessant. Vergeben setzt voraus, dass wir fähig sind, für dem „Täter“ Empathie/ Verständnis zu entwickeln. Wenn wir dies aber nicht wollen oder können, bleiben wir im Opferbewusstsein gefangen.
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…weil emotionale Wunden Zeit brauchen: Besonders bei starken Enttäuschungen/Verletzungen oder bei Traumata dauert der Heilungsprozess länger.
Nehmen Sie jetzt ein eigenes Beispiel aus Ihrem Leben, bei dem Ihnen Verzeichen schwer fällt und überprüfen Sie, welche der oben genannten Aspekte Ihrer Einschätzung nach auf Sie zutreffen.
Erst dann befassen Sie sich mit den folgendenden Tipps:
Tipps, um schrittweise zu vergeben
1. Machen Sie sich klar, dass vergeben nicht vergessen bedeutet:
Verzeihen heißt nicht, dass Sie das Geschehene gutheißen oder dass Sie sich wieder verletzbar machen. Es bedeutet in erster Linie, die emotionale Last loszulassen und sich von negativen Gefühlen zu befreien.
Hierzu eine psychologische Übungsfrage:
Frage Sie sich: „Möchte ich weiterhin von dieser Emotion kontrolliert werden, oder möchte ich Frieden in mir finden?“
Und: Psychologisch gesunde Vergebung basiert auf Selbstachtung, nicht Selbstverleugnung. Das bedeutet damit auch, dass Vergebung nicht ausschließt, klare Grenzen zu setzen oder Konsequenzen zu fordern.
2. Entscheiden Sie sich bewusst fürs Verzeihen
Und ja, es ist meist ein Prozess – aber die bewusste Entscheidung ist der erste Schritt!
3. Emotionen bewusst verarbeiten – Ihr eigener Frieden hat Priorität
Es ist okay, dass Sie sich verletzt fühlen. Aber Verdrängung der Gefühle hilft nicht. Viele Menschen unterdrücken Wut, Schmerz oder Enttäuschung, aber diese Gefühle wirken unbewusst weiter. Groll und Wut binden Sie jedoch ständig an die Vergangenheit und schaden damit vor allem IHNEN selbst. Vergebung bedeutet, sich selbst die Erlaubnis zu geben, weiterzugehen.
Forschen Sie genauer nach, indem Sie sich fragen:
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Was genau fühlt sich so verletzend an – ist es der Vertrauensbruch, die Ungerechtigkeit oder etwas anderes?
- Welche Gefühle sind denn in mir?
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Möchte ich dieser Person weiterhin so viel Einfluss auf mein Wohlbefinden haben lassen?
- Wie kann ich mich emotional so stärken, dass mich so etwas in Zukunft weniger trifft?
Und hier wertvolle Techniken zur Verarbeitung:
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Ein Brief an die Person (den Sie nicht abschicken Müssen) kann helfen, Klarheit zu gewinnen.
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Bewusstes Wahrnehmen von Gefühlen, ohne sie zu bewerten, kann helfen, Abstand zu gewinnen. Hierzu habe ich auf youtube auch verschiedene Videos veröffentlicht, die bei diesem Thema weiter helfen.
- Stellen Sie sich vor, zwischen Ihnen beiden ist ein unsichtbares Seil aus negativen Emotionen. Jedes Mal, wenn Sie über die andere Person nachdenken oder sich aufregen, halten Sie das Seil fest und verstärken es damit. Wenn Sie also wieder in diese emotionale Verbindung kommen, dann spüren Sie dieses „Seil“ und wie Sie es langsam loslassen und sich davon befreien.
- Führen Sie ein 4-Augengespräch, erläutern Sie Ihre Sichtweise und hören Sie gut zu.
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Falls die Verletzung tief sitzt, kann eine Unterstützung von außen (Therapeut, Coach,..) helfen, loszulassen.
4. Gedankliches Wiederkäuen reduzieren
Wenn Sie bemerken, dass Sie immer wieder an die Person/Verletzung denken, sagen Sie sich innerlich: „Ich entscheide mich, meine Gedankenschleifen hier zu unterbrechen. Ich entscheide mich für meinen inneren Frieden“
5. Initiieren Sie bewusst einen Perspektivenwechsel:
Vielleicht können Sie dem anderen gar nicht aus dem Weg gehen? Aber auch wenn Jemand weit weg lebt, kann er in unseren Gedanken sehr präsent sein. Dann ist es wichtig, emotionale Distanz zu gewinnen. Dabei hilft es, sich zu fragen:
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„Warum hat diese Person so gehandelt?“
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„Welche Erfahrungen oder Ängste könnten sie beeinflusst haben?“
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„Würde ich erwarten oder mir wünschen, dass mir jemand vergibt, wenn ich einen Fehler mache?“
Betrachten Sie die Person nicht als „den Verräter“, sondern als jemanden, der Schwächen und Fehler hat – so wie jeder Mensch.
Und hier noch eine wertvolle Technik:
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Stellen Sie sich vor, er/sie wäre nur eine neutrale Figur in Ihrem Leben. Wenn Sie ihm/r begegnen, visualisieren Sie eine Art Schutzschild um sich herum, das Sie emotional unberührbar macht.
6. Selbstvergebung – Der oft vergessene Schlüssel
Manchmal fällt es schwer, anderen zu vergeben, weil wir uns selbst nicht vergeben können. Vielleicht fühlen wir uns schuldig, dass wir einer bestimmten Situation nicht entkommen konnten oder anders hätten handeln sollen. Wenn Sie beispielsweise im Nachgang immer wieder denken „Ich hätte…sagen/tun sollen“, dann sind Sie (ggfs unbewusst) in dieser Falle gelandet.
So geht es in Richtung Selbstvergebung:
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Seien sie mit sich selbst genauso mitfühlend wie mit einem/r guten Freund/in.
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Erkennen Sie, dass jeder Mensch Fehler macht und dass wir alle dazulernen.
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Falls nötig, gehen Sie bewusst in einem inneren Dialog oder Ritual in die Selbstvergebung.
Diesen letzten Aspekt kann ich hier nur anreißen – es ist ein ganzes Kapitel für sich.
Fazit:
Am Ende geht es beim Vergeben überhaupt nicht darum, dem anderen etwas Gutes zu tun – sondern sich selbst von emotionalen Fesseln zu befreien. Es ist ein Akt der Selbstliebe und ein wichtiger Schritt zur inneren Freiheit.
Und: Falls Sie das Thema „Loslassen“ interessiert – auf meinem youtubekanal findesn Sie hierzu weitere Infos und konkrete Techniken, die Loslassen unterstützen:
Durch Loslassen gesünder und freier werden: https://youtu.be/NvHZP9uEbIo
4 konkrete Schritte zum Loslassen: https://youtu.be/vpO9Gyo7udI
Raus aus geht-nicht oder kann-ich-nicht: https://youtu.be/a5Q1pmCEDOU
Übungen, so kannst Du Loslassen: https://youtu.be/XTEho9Z2UaA
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