Zuerst einmal die Frage, warum verzeihen wir nicht einfach Jemandem, wenn wir es "eigentlich" wollen?…

Warum Fehler machen so stressen kann – und wie wir eine gesunde Fehlerkultur mit uns selbst entwickeln
Warum fällt es den meisten Menschen so schwer, Fehler zu machen?
Fehler zu machen fühlt sich manchmal wie ein persönliches Versagen an – Sie kennen das? Viele reagieren auf einen eigenen Fehler mit Scham, Selbstkritik oder dann irgendeiner Form von Vermeidungs- oder Vertuschungsverhalten. Vielleicht kennen Sie auch das aus der eigenen Erfahrung.
Leider blockiert genau das unsere Weiterentwicklung. Das ist wichtig zu verstehen – denn an sich sind Fehler ein natürlicher, sogar notwendiger Teil von Lernen und Wachstum. Klar, das ist Ihnen natürlich bewusst: Doch warum fällt es dennoch so schwer, sie anzunehmen? Und wie können wir einen konstruktiveren Umgang mit Fehlern – vor allem mit uns selbst – entwickeln?
Teil 1: Warum ist Fehler machen so schlimm für uns?
Hintergrund Nr.1 Evolutionäre Angst vor Fehlern
Unsere Angst vor Fehlern ist nicht persönliche Schwäche, sondern tief in unserem Gehirn verankert. In der Frühzeit des Menschen konnten Fehler – wie beispielsweise die falsche Einschätzung einer Gefahr – lebensbedrohlich sein. Wer vorsichtiger war, hatte bessere Überlebenschancen. Diese überlebenswichtige Vorsicht ist heute noch in uns aktiv, auch wenn die Konsequenzen meist harmloser sind. Unser Gehirn verarbeitet Fehler oft noch wie Bedrohungen.
Psychologisch gesehen: Die Amygdala, unser „Alarmzentrum“ im Gehirn, springt bei Fehlern häufig an – besonders, wenn soziale Bewertung im Spiel ist. Wir fühlen uns schnell in unserer Identität bedroht.
Hintergrund Nr.2. Fehler als Angriff aufs Selbstbild
Fehler zeigen uns, dass wir nicht perfekt sind – und das kratzt an unserem Idealbild von uns selbst. Laut der Selbstwert-Theorie (Baumeister u.a.) bedrohen Fehler unser positives Selbstkonzept. Je stärker wir unseren Wert an Leistung knüpfen, desto heftiger erleben wir Fehler als persönlichen Mangel.
Beispiel: „Ich habe einen Fehler gemacht“ wird in unserer inneren Vorstellung dann schnell zu „Ich bin ein Fehler“.
Hintergrund Nr.3 Kulturelle und soziale Prägung
Ganz zentral: Unsere Schul- und Leistungskultur verstärkt diesen inneren Druck: Fehler werden leider sehr oft mit schlechten Noten, Kritik oder auch Sanktionen bestraft. In vielen Unternehmen oder Familien ist „Fehlerfreiheit“ gleichbedeutend mit Kompetenz – auch wenn das vollkommen unmöglich zu erreichen ist. Hinzu kommt: Auf Social Media zeigen Menschen meist nur ihre perfekten Seiten – Fehler wirken dort wie Tabubrüche. Eine zwar völlig unrealistische Welt, aber selbst wenn uns das bewusst ist, bleibt in unserem (Unter-) Bewusstsein die Fehler- und Makellosigkeit als Botschaft hängen.
Ergebnis: Wir lernen früh: Fehler = Schwäche. Und entwickeln Strategien, sie zu vermeiden oder zu verstecken.
Teil 2: Wie erschaffen Sie eine konstruktive Fehlerkultur mit sich selbst?
1. Fehler als Feedback sehen – nicht als Versagen
Ein zentraler Schritt ist es, die innere Bewertung zu ändern. Ganz grundsätzlich ist es dabei hilfreich zu verstehen: Fehler sind Daten. Sie sagen uns nicht wer wir sind, sondern was wir besser verstehen oder verändern können. Dieser Perspektivwechsel nennt sich in der kognitiven Verhaltenstherapie „Reframing“.
Tipp: Stellen Sie sich nach einem Fehler bewusst die Frage:
„Was möchte mir dieser Fehler sagen?“ statt „Was stimmt nicht mit mir?“
2. Mitgefühl statt Selbstkritik: Der Schlüssel zur Selbstakzeptanz
Die Forschung zu Selbstmitgefühl (Kristin Neff) zeigt: Wer freundlich mit sich umgeht, wenn er scheitert, bleibt langfristig motivierter, resilienter und sogar leistungsfähiger. Das bedeutet: Je selbstkritischer Sie mit sich selbst sind, desto unzufriedener, stressanfälliger und leistungsmüde können Sie werden! Insofern lohnt sich ein Blick auf das Thema Selbstmitgefühl.
Um hier klarer zu sehen; Selbstmitgefühl hat drei Elemente:
Achtsamkeit: Einen Fehler erkennen, ohne zu ihn dramatisieren oder zu verdrängen.
Gemeinsame Menschlichkeit: Jeder macht Fehler – erkennen Sie dies an – Sie sind definitiv nicht allein.
Selbstfreundlichkeit: Sprechen Sie mit sich selbst, wie Sie es wohlwollend mit einem guten Freund auch täten. Also: Wenn Sie sich über sich selbst ärgern, fragen Sie sich lieber: Was würde ich meiner besten Freundin sagen, wenn sie diesen Fehler gemacht hätte?
3. Growth Mindset kultivieren: Fehler = Wachstum
Wenn wir unsere Fehler so negativ sehen und bewerten, haben wir einfach keine Chance, weiter zu kommen oder zu wachsen. Die Psychologin Carol Dweck unterscheidet hier zwischen zwei Denkweisen, die helfen zu verstehen, was ich meine:
Fixed Mindset: Wir glauben: Fähigkeiten sind angeboren – so bedeutet auch jeder Fehler = Scheitern.
Growth Mindset: Wir verstehen: Fähigkeiten sind entwickelbar – und so sind Fehler = Lernchance.
Tipp: Führen Sie doch mal ein Fehlertagebuch. Wenn Sie sich die folgenden Fragen stellen, haben Sie einen enormen Lerneffekt:
- Was ist passiert?
- Was war meine erste Reaktion?
- Was habe ich daraus gelernt oder verstanden?
4. Fehlerfreundlich handeln – bewusst und mutig
Um es hier ganz deutlich zu sagen: Perfektionismus lähmt. Wenn wir nur Dinge tun, bei denen wir keine Fehler erwarten, bleiben wir in der Komfortzone. Eine konstruktive Fehlerkultur bedeutet aber: Sich erlauben, zu experimentieren, zu irren – und daraus zu lernen.
Hier könnten Sie eine Mini-Challenge starten: Eine Woche „Mut zur Lücke“:
Machen Sie täglich eine kleine Sache, bei der Sie nicht sicher sind, ob sie klappt – und beobachten Sie, was wirklich passiert.
5. Rituale für reflektierten Umgang mit Fehlern
Selbstführung braucht Bewusstheit. Nehmen Sie sich also unbedingt regelmäßig Zeit, um Ihren Umgang mit Fehlern zu reflektieren. Hilfreiche Reflexionsfragen für den Wochenabschluss sind beispielsweise:
- Wo bin ich in dieser Woche mit mir hart ins Gericht gegangen?
- Was habe ich aus einem Fehler gelernt?
- Wo war ich mutiger als sonst – auch wenn es nicht perfekt lief?
Fazit: Unsere Fehler sind keine Feinde, sondern Wegweiser beziehungsweise echte Lernchancen. Und Sie gehören zum Menschsein. Sie zeigen uns nicht, dass wir „nicht gut genug“ sind, sondern wo wir wachsen können. Eine gesunde Fehlerkultur mit Ihnen selbst beginnt mit Mitgefühl, ehrlicher Reflexion und dem Mut, nicht perfekt sein zu müssen. Denn genau darin liegt Ihre persönliche Entwicklung!
Und: Hierzu gibts auch ein ergänzendes Video, einfach reinschauen: https://youtu.be/SCX3ABw2OIs?si=ZcCy6p82eZQjmTai
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